frische Artischocken auf dem BauernmarktTomaten vom Bauernmarkt in Velleron, fertig angerichtetTomaten und Lavendel vom Bauernmarkt in Velleron

Ein kleines Dorf in der Provence bietet ein besonderes Spektakel:

Vor dem Eingangstor eines abgegrenzten Parkplatzes drängt sich am späten Nachmittag eine Traube von Menschen zusammen. Viele von ihnen sind mit großen Einkaufstaschen oder Ziehwagen ausgerüstet. Wird das große Tor dann geöffnet, strömen die Besucher eilig auf den Platz. Sie erwartet eine wahre Pracht von Farben und eine Fülle an Genüssen...

Eilig schieben die zielstrebigeren oder die professionellen Besucher nach vorne, etwas langsamer folgen Müßiggänger und Genießer. Alle haben aber dasselbe Ziel; sie wollen hier aus dem großen Angebot von frischen Früchten, prächtigen Gemüsen und anderen Lebensmitteln das Beste ergattern.

Die Besonderheiten des "marché agricole"

Ein umzäunter Parkplatz unterhalb der D 31 in Velleron:

Diese Örtlichkeit zählt sicherlich nicht zu den besonders pittoresken Plätzen der Provence. Dennoch drängt sich gegen Abend vor dem Eingangstor regelmäßig eine große Menschentraube. Wenn die Pforte des Marktes geöffnet wird, bietet er seinen Besuchern nämlich eine einzigartige Auswahl frischer Produkte – zu erstaunlich günstigen Preisen.

Es ist ein "marché agricole". Die Verkäufer dürfen nur selbst produzierte Waren aus der Region anbieten. Die örtlichen Erzeuger sind mit kleinen Transportfahrzeugen vorgefahren, verkauft wird direkt aus der Heckklappe. Meist ist nur ein kleiner Tisch zur Präsentation der Waren aufgebaut. Bei den Verkäufern handelt es sich meist um Rentner, welche ihr Einkommen mit der Bewirtschaftung einer kleinen Parzelle aufbessern. In einer langen Reihe bieten sie ihre Produkte feil.

Für den Verkauf dieser (tages-)frischen Waren der örtlichen Erzeuger gelten strenge Regeln. So ist es untersagt, auf der Verkaufsfläche nur die „Topware“ anzupreisen und den Kunden – mit möglicherweise geringerer Qualität – aus dem Fahrzeug zu bedienen. Alles wird so präsentiert, wie es in den Verkauf gelangt. Und der Marktbesucher kann sich die Produkte aussuchen; egal ob einzeln, als Schale oder sogar als ganze Stiege.

Einzelne Erzeugnisse, deren Kauf man in Supermärkten als selbstverständlich voraussetzt, wird der Marktbesucher hier vergebens suchen. Orangen, Zitronen und Bananen werden nun einmal nicht im Vaucluse angebaut – und sind deshalb auch nicht auf unserem Bauernmarkt zu finden.

Dafür gibt es jede Menge anderer Köstlichkeiten. Ob es sich dabei um kleine Ziegenkäse in verschiedenen Reifegraden handelt, um selbst erzeugtes Olivenöl, um die verschiedensten Tomaten-, Aprikosen-, Kirsch- oder Erdbeersorten, um leuchtend rote Tomaten, um Artischocken mit ihren prächtigen blauen Blüten oder um ganze Körbe voller Zucchiniblüten: Das Auge kann sich manchmal kaum satt sehen an dem Angebot.

Dank der späten Öffnungszeit des Marktes kann dies alles tagesfrisch eingekauft werden – und das im wahrsten Sinn des Wortes. Denn es ist schon ein besonderes Erlebnis, eine reife Cavaillonmelone zu genießen, welche noch vor wenigen Stunden in der Mittagssonne auf dem Feld gelegen hat.

Öffnungszeiten des "Marché Agricole" :

Der Bauernmarkt in Velleron öffnet seine Tore
im Sommerhalbjahr (vom 01.04. bis 30.09) um 18:00 Uhr und
im Winterhalbjahr (vom 01.10. bis 31.03) um 16:30 Uhr.

Im Sommerhalbjahr findet der Markt täglich außer sonntags statt,
im Winterhalbjahr Dienstags, Freitags und Samstags;
an Feiertagen ist er generell geschlossen.

Freitags lohnt sich der Besuch besonders, weil es ein erweitertes Angebot gibt mit seinem sehr guten Olivenstand, Bäcker, Schinkhändler u.a...

Typisch für den Bauernmarkt: beste Qualität, kurze Wege

Entdecken lassen sich hier aber auch die verschiedensten anderen Dinge:

Beispielsweise bietet der über 80-jährige Monsieur Allemand nichts als Zwiebeln an. Diese sind allerdings von ausgesuchter Qualität. Ob es sich um „Nymphenschenkel“ handelt (eine spezielle Sorte der Schalotte), um dicke weiße oder dunkelviolette runde Zwiebeln; alles stammt aus seinem eigenen Garten. Und die Zwiebeln bersten fast vor Saft.

Oder Monsieur Morand. Er reist täglich aus dem kleinen Ort St. Hippolyte de Graveyron an, um sein selbst erzeugtes Olivenöl und den Wein der eigenen Domaine zu verkaufen. Zusätzlich gibt es bei ihm im Sommer eigene Aprikosen, im Winter herrlich frische Walnüsse. Und seine Frau steuert je nach der Jahreszeit selbst hergestellte Feigenkonfitüre und andere Köstlichkeiten dazu bei.

Eine andere Händlerin hat sich ausschließlich dem Anbau von Brunnenkresse verschrieben. Sie ist gerne bereit, ihren Kunden ein Rezept für die Zubereitung einer würzigen Kressesuppe mit auf den Weg zu geben.

Einen Standplatz weiter bieten selbst hergestellte Ziegenkäse einen verführerischen Anblick. Sie sind in verschiedenen Reifegraden ergältlich und mit unterschiedlichen Kräutern belegt...

Gleich mehrere Händler haben sich dem Anbau besonderer und oftmals sehr alter Tomatensorten verschrieben. Ob es sich um „Coeur der Boeuf“ handelt, eine große knollige Fleischtomate  (in Deutschland auch als „Ochsenherztomate“ bekannt), um die gelbliche „Ananas der Provence“, um die wegen ihrer Farbe so genannte „Kakaotomate“, um grün gemaserte "Zebre verte", orangefarbene oder andere Varietäten – gemeinsam ist ihnen eines: Sie sind prall, voller Geschmack und enthalten dennoch sehr viel weniger Wasser als die gemeinhin in deutschen Supermärkten angebotenen Tomaten.

Zum besonderen Erlebnis wird in diesem Zusammenhang der Kauf von Erdbeeren. Hier muss der Kunde erst einmal auf die Frage gefasst sein, welche Sorte er den haben möchte:

„Mara de Bois“ (deren Geschmack einer Walderdbeere gleicht) – oder die ebenso leckere „Ciflorette“? Oder lieber „Agathe“? Oder "Joly"? Vielleicht eher die hier klassischem Sorten, etwa „Gariguette“ und „Pajaro“?

Die Auswahl ist jedenfalls unglaublich. Wer sich damit nicht auskennt, kann gerne einmal naschen. Und gleich einen günstigen Probekauf wagen, denn die Preise liegen meist nur zwischen 2,00 und 4,00 EUR je Schale zu 500 Gramm.

Nichts anderes gilt für Aprikosen, Kirschen, Feigen oder andere Früchte. Auch hier  stehen stes mehrere Sorten zur Auswahl. Denn es macht einen erheblichen Unterschied, ob beispielsweise Aprikosen für den direkten Verzehr, zum Backen eines Kuchens oder für die Herstellung von Konfitüre vorgesehen sind.

Für den letztgenannten Zweck werden die Erzeugnisse auch in großen Mengen, als ganze Stiegen, abverkauft. Unsere auswärtigen Freunde, die den Bauernmarkt im Urlaub besuchen, geraten neben der unglaublichen Auswahl an frischen Waren regelmäßig auch über die geringen Preise ins Schwärmen! Ein echtes „Problem“ ergibt sich, wenn die bereits vollgepackten Urlaubsautos kaum noch genügend Platz lassen, um all diese Köstlichkeiten in die Heimat mitzunehmen.

Gemüse und Früchte werden oft als „non traitée“ angeboten. Eine solche Auswahl an unbehandelten Köstlichkeiten dürfte in Deutschland selten zu finden sein.

Das Warenangebot wechselt zwar stark mit den Jahreszeiten. Doch es gibt hier nun einmal keine Erdbeeren im Winter (dafür aber jede Menge Früchte des Kakibaumes). Und im Sommer besteht eigentlich kein Bedarf an diversen Kohlsorten (welche dafür im Winter in großer Fülle angeboten werden).

Im Übrigen bietet der Markt stets einen ganz besonderen Schatz an Zufallsfunden:

Da ist zunächst Dorinne mit ihren selbst hergestellten Confits. Kleine Gläschen mit verführerischem Inhalt, eben Confit: Rosmarin, Thymian, Ingwer, Lavendel, Poivre Blanc, sogar "Wasabi" und einige andere Geschmacksrichtungen. Zu einem frischen Ziegenkäse gibt es kaum eine bessere Begleitung...

Andere Händler bieten die weißfleischige „Méréville“ – Melone aus der sich eine wirklich wunderbare Konfitüre kochen lässt; lesen sie auch: "das Wunder der Méréville". Oder „Karden“ (welche um die Weihnachtszeit fast schon ein provençalisches Nationalgericht sind). Oder Quittengelee (was gerne zur foie grás gereicht wird).

Es lohnt sich ganz bestimmt, hier einmal noch Unbekanntes zu entdecken. Erklärungen zu ihren Produkten und Rezepte für deren Zubereitung werden den Kunden von allen Anbietern gerne mit auf den Weg gegeben.

Und nicht zuletzt lässt es sich nach dem Abschluss der Einkäufe – sehr einfach, aber urig – noch auf einen Aperitiv an der Buvette bei Evelyne verweilen… 

Achtung:
Von April bis September hat der Bauernmarkt täglich geöffnet - ab 18:00 Uhr.
Wenn Sie ab dem 01. Oktober (bis 31. März) zum Marché de Velleron kommen, gelten andere Öffnungszeiten; ab 16:30 Uhr. Und geöffnet ist der Markt dann nur Dienstag, Freitag und Samstag!
Freitags - aber nur dann - werden unmittelbar vor dem Markt auch andere Waren angeboten, z.B. frische Oliven, Fleisch- und Wurstwaren...

 


Kommentare

Wunderbar - war im Oktober selbst dort und es hat mich umgehauen. So ein großes Angebot und zu Preisen, davon träumt jeder Hamburger. Sehr zu empfehlen!!!

Merci! Waren die Poivron Cerise denn nicht zu scharf.?

Lieber Jörgen,
Du hast Dir mit dem Blog wirklich sehr viel Mühe gemacht. Das Lesen macht viel Spaß. Was hat es mit den "Karden" auf sich? Nicole meint, daß es sich hierbei um ein Gericht aus Stierfleisch aus der Camarge handelt. Du kannst uns das bestimmt erklären.
Viele liebe Grüße und bis Mittwoch,
Nicole & Horst

Merci...
Karden sind in der Provence ein klassischer Bestandteil des traditionellen Weihnachtsessens, des "Grosse Souper. Hier ein Direktlink zu einer französischen Seite, die es näher erklärt:
http://www.saveursdumonde.net/traditions/recettes-de-noel/noel-provence/
Bei den Karden handelt es sich um eine Distelart, sie gehört also zu der selben Familie wie Artischocken. Karden werden wie Gemüse zubereitet. Sie sind übrigens ein sehr guter "Saucenträger"!!!
Eine zusätzliche Erklärung: http://www.rezeptewiki.org/wiki/Zutat:Karde
Und da habe ich sogar ein Rezept gefunden:
http://www.kuechengoetter.de/rezepte/Auflauf/Ueberbackene-Karden-17294.html
Im Übrigen sollen Karden äußerst gesund sein...

Toll beschrieben. Kenne den Marche du Produceur schon seit Jahren. Bin üblicherweise über Ostern und im Herbst in der Provence.
Toll ist Ostern das Angebot an Spargel, erntefrisch in grün, violett oder weiss, alle Formen alle Dicken. Köstlich. Und wenn dann später die Erdbeeren im Angebot sind, herrliches einladenes Aroma in der Luft.

Freue mich jetzt schon auf das Wiedersehen, aber dieses Jahr im Mai.

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